Horst Noll – Bilder





Weil nun auch die Malerei es vermag, zwanglos auf jeweils gültige Ordnungen hinzuweisen, indem sie nämlich eine bildnerische Logik walten läßt, vermittelt sie schon eine Ahnung des Ewigen und berührt das Unsagbare. Und ebendort, wo die Worte versagen, greift die Kraft der Formen und der Farben.

Joseph Marioni - selber Maler - sagt über die Grundbedingung reiner Malerei folgendes: (Zitat) "Bilder, die vergegenwärtigte Bilder im eigentlichen Sinne sind, besitzen bestimmte materielle Eigenschaften, die von wahrnehmungsfähigem Inhalt sind- die 'gemalte Farbe' und ihren 'Träger' . Das tragende Gerüst ist ein Objekt, dessen spezifische Bestimmung es ist, bemalt-zu-werden. Sowohl die Farbe als auch die tragenden Materialien sind von einer physikalischen Logik und einer logischen Beziehung. Wenn die Materialien des Bildes auf eine Weise geordnet sind, welche ihre innere Logik offenbart, und wenn sie zugleich eine Wahrnehmung menschlicher Identität beinhaltet, ist das Malerei-Bild präsent." (Zitatende)
Horst Nolls Gemälde präsentieren sensible, vibrierende Farbstrukturen. Intuitiv-gesetzte, übereinandergelagerte Schichten reiner Farbe vollenden sich zu transparent-pastosen Bildern, die zwar stets ihr autonomes Eigenleben vorführen, die aber darüber hinaus auch - zum Beispiel - die Frage nach der Korrelation von Geist und Materie durchaus zulassen.
Aus der Distanz wird der Betrachter überwältigt von der scheinbar anonymen Radikalität reiner Farbe; erst die Nähe zum Bild enthüllt ihm die Intimität strukturierter Farb-Fakturen und läßt ihn Zusammenhänge bzw. Farbräume entdecken.
Vor allem Nolls ältere Acryl- und Ölbilder zeigten eine Ein-bindung konstruktiver Formen in die ineinander verwobenen, lichten Farbsphären.
Solche konstruktiven Negativformen entstanden durch Verwendung von Klebestreifen. Diese Negativ-streifen waren gewissermaßen "optische Anker", die das Nahe mit dem Fernen verklammerten und den Bildraum "entschlüsselten", um so das Gewachsene des Bildes unmittelbar vor Augen zu führen.
Bei den neuen Arbeiten, insbesondere bei den Großformaten, akzentuieren sparsam gesetzte gestisch- malerische Einschübe oder zufällig-spontan wirkende Ausbrüche die Ränder und Ecken, während einige pastose Einsprengsel direkt mit dem scheinbar immateriellen Farbgefüge korrespondieren: Sie unterbrechen, wie kleine Wellen auf hoher, ruhiger See, leise den Grundfarbklang des jeweiligen Bildes und garantieren doch die Kontinuität der Gesamtkomposition. Die graphisch wirkenden Negativformen sind nun also im wesentlichen ersetzt durch "positiv' gesetzte, gestisch-malerische, pastose Pinselhiebe; diese können als heftiges Staccato erscheinen oder eher zart-zögernd in ruhiger Bewegung verharren - immer aber sind sie gleichsam organisch in den Farbleib eingebunden. Ähnlich den früheren Negativ-Chiffren fungieren nämlich auch sie, auf kleinem oder kleinstem Raum, als eine Art "Inhaltsangabe", d.h. als ein Konzentrat der farblichen Essenz des jeweiligen Bildes. –
Die Malerei Horst Nolls (er arbeitet zuweilen auch gegen-ständlich - dies sei nur am Rande vermerkt) gibt sich erstaunlich offen und uneitel; sie kommt ohne Umschweife zur Sache. Weder behauptet sie eine verborgene Geistigkeit noch zeigt sie eine krude Materialschwelgerei: das macht sie sympathisch.
Und dennoch ist sie sehr eloquent, weil vital und lebensbejahend. – Zum Schluß nochmals die Frage: "Lust auf Metanoia?"
Oder doch zuerst einmal nur eine Hinkehr zur Kunst, zur
Malerei? Nun, das ist ja völlig klar, ganz bestimmt, sonst wären Sie, währet Ihr, heute wohl gar nicht erst zur Vernissage gekommen.
Der bekannte Kunsthistoriker Walter Koschatzky hat einmal gesagt: (Zitat) "Kunst ist weder Hobby noch Zeitvertreib, sondern Teil der humanen Existenz." (Zitatende)
Und - man könnte hinzufügen - dies galt, gilt und wird gelten für jede Zeit.
In der Tat: Kunst ist zwar nur ein bescheidenes, aber ein gutes Lebens-Mittel auf unserem Weg. Alles weitere überlasse ich allein der subjektiven Augen-Lust und bedanke mich für das Zuhören und Mitdenken!

Gunther Sehring M.A.
Langen/Hessen, Oktober 2001